Ingenieure entwickeln, bauen und testen Konstruktionen, um dank dieses systematischen Vorgehens neue Produkte erstellen zu können. Doch das sogenannte Reverse Engineering macht sich einen ganz anderen Prozess zunutze. Es geht nämlich hauptsächlich darum, Produkte auseinanderzubauen und zu analysieren, um mit dem gewonnenen Wissen wichtige Rückschlüsse für die eigenen Produkte zu ziehen. Das geschieht besonders oft im Fahrzeug- oder Maschinenbau, aber auch die Softwareentwicklung ist zunehmend davon betroffen. Hierbei geht es aber nicht nur um Produkte der Konkurrenz, sondern auch um ältere Produkte der eigenen Produktion, die so analysiert werden können.
Wir stellen Ihnen in diesem Artikel alle Details zum Thema Reverse Engineering vor, und erläutern, welche Vorteile es Ihnen bieten kann und wie Sie diese am besten nutzen.
Definition des Begriffs Reverse Engineering
Es handelt sich hierbei um den methodischen Prozess, Produkte zu zerlegen und im Detail zu analysieren. Dabei werden die verwendeten Materialien genauestens untersucht, das Gewicht exakt vermessen, Toleranzen bis ins Detail erfasst sowie die Kosten dafür möglichst genau abgeschätzt. Die Rückschlüsse, die sich daraus ergeben, sollen z. B. der Verbesserung der eigenen Produkte dienen.
Nicht selten handelt es sich dabei um eine Benchmark-Analyse, anhand derer man sich mit dem besten Produkt am Markt vergleicht. Hier sehen viele Ingenieure gute Chancen, nützliche Kenntnisse für das eigene Fertigungsverfahren zu gewinnen. Denn wie weit die Konkurrenz ist und wie sie es schafft, das Produkt zu den jeweiligen Kosten bzw. dem Preis anzubieten, kann mit Hilfe von Reverse Engineering herausfinden.
Ein weiterer gängiger Anwendungsfall ist beispielsweise der detailgetreue Nachbau von Produkten (z. B. Ersatzteile), bei denen die Dokumentation verloren gegangen ist oder weil der Originalhersteller die Produktion eingestellt hat.
Begriffe rund um Reverse Engineering
Es gibt einige Begriffe sowie Teilbereiche, die sich diesem Thema zu- oder unterordnen lassen. Diese helfen dabei, das Vorgeben beim Reverse Engineering noch besser zu spezifizieren und zu kategorisieren.
- Re-Documentation: Nicht nur das eigentliche Produkt ist wichtig, sondern auch die Dokumentation dazu. Re-Documentation beschreibt genau dieses Vorgehen, bei dem man versucht, die zum Produkt zugehörigen Dokumente wiederherzustellen.
- Design Recovery: In diesem Teilbereich geht es darum, das Design zum zugehörigen Produkt nachzubilden. Das könnte dann auch anderen Unternehmen erlauben, das Produkt selbst herzustellen.
- Refactoring: Im deutschen Raum auch als Restrukturierung bekannt, handelt es sich dabei um den Prozess zur Änderung der internen Systemstruktur, ohne das Äußere zu verändern.
- Reengineering: Während Reverse Engineering das Zerlegen beschreibt, geht es beim Reengineering um das wieder Zusammenbauen. Dabei kann es zur kompletten Neugestaltung kommen, ohne dass neue Funktionalität hinzukommt. Man kann das System jedoch auch erweitern.
Vorgehen beim Reverse Engineering
In der Regel umfasst dieser Prozess einige wichtige Schritte, um am Ende die meisten Erkenntnisse gewinnen zu können. Zunächst erfolgt die Entscheidung, welches Produkt man mit Reverse Engineering untersuchen möchte.
Anschließend folgt eine methodische und schrittweise Zerlegung des Produkts, bei der es auch wichtig ist, die kleinsten Details zu erfassen. Die daraus erfassten Messdaten helfen dann dabei, ein Design bzw. ein CAD-Modell zu erstellen. Dieses soll am Ende möglichst detailgetreu das Originalprodukt darstellen. Eine leistungsstarke CAD-Software ist also eine wesentliche Voraussetzung, und diese kommt als eines der wichtigsten Reverse Engineering Tools zum Einsatz.
Ziele des Reverse Engineering
Dieser Prozess soll letztlich dabei helfen, verlorenes Wissen wiederherzustellen oder die eigenen Produkte zu verbessern. Doch besonders in komplexen Bereichen ergeben sich noch zahlreiche Unterziele, die manchmal auf den ersten Blick gar nicht so offensichtlich sind.
Hierzu gehören nämlich noch folgende wichtige Aspekte:
- Externe Sicht auf interne Probleme
- Mögliche Vereinfachung komplexer Sachverhalte
- Identifikation von verwandten Nebeneffekten
- Wiedergewinnung von verlorenen Informationen
- Erleichterung zum Wiederverwenden
Während sich das übergreifende Ziel beim Reverse Engineering immer relativ einfach formulieren lässt, sind es diese Teilaspekte, die oftmals das Vorgehen so nützlich machen. Denn meistens gibt es am Markt bereits adäquate Lösungen für unternehmensinterne Herausforderungen.
Einsatzgebiete von Reverse Engineering
Im Wesentlichen gibt es eine Handvoll wichtiger Einsatzgebiete, wie den Maschinenbau. Aber auch das Hardware- sowie Software-Reverse-Engineering findet immer mehr Anwendung. Es kann sich also sowohl um tatsächlich anfassbare Produkte handeln als auch um digitalen Code, der heutzutage fast noch wichtiger ist.
Maschinen- und Fahrzeugbau
Ein klassisches Einsatzgebiet des Reverse Engineerings sind die Bereiche Maschinen- und Fahrzeugbau. Diese weisen oftmals eine hohe Komplexität auf und erfordern viel Know-how sowie etablierte Herstellungsverfahren. Nicht selten gehen auch wichtige Informationen zu eigenen Produkten verloren oder Zulieferer stellen die Produktion ein. Dann hilft Reverse Engineering beispielsweise im Maschinenbau dabei, Produkte selbst nachbauen zu können.
Produkte werden dabei bis auf die kleinsten Teile zerlegt, um ein komplexes System sowie den Zusammenbau besser zu verstehen. So machte vor einigen Jahren der Daimler-Konzern (heute Mercedes-Benz) in die Schlagzeilen, weil das Unternehmen sich ein Elektroauto von Tesla anmietete und es dann in seine Bestandteile zerlegte. Bei der Rückgabe fiel dem Autovermieter jedoch auf, dass das Auto beschädigt war.
Es war es beim Reengineering nämlich nicht gelungen, den Ursprungszustand des Autos zu rekonstruieren. Daimler teilte mit, dieses Verfahren sei in der Branche üblich und musste sich anschließend den Schadensersatzforderungen stellen.
Hardware-Reverse-Engineering
Computerchips werden immer wichtiger und gefragter. Dies führt zu Engpässen aufgrund der Globalisierung und der Quasi-Monopolstellung einiger weniger Unternehmen, die den gesamten Weltmarkt beliefern. Genau deswegen ist Reverse Engineering von Hardware in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus gerückt. Es geht vornehmlich darum, von bestehenden Chips der Konkurrenz Daten und Hinweise zu gewinnen, um die eigene Herstellung vorantreiben zu können.
So belegten die USA im Zuge des Wirtschaftskriegs China mit zahlreichen Sanktionen bei der Beschaffung von Computerchips. China strebt deswegen an, eine eigene Produktion aufzubauen, um diese Abhängigkeit zu überwinden. Das soll auch mithilfe von Reverse Engineering gelingen.
Doch die Verfahren dahinter sind derart komplex, dass China es augenscheinlich auch nach Milliarden-Investments noch nicht gelungen ist, die modernsten Chips zu kopieren. Diese kommen nach wie vor üblicherweise aus Taiwan, Südkorea oder Japan.
Software-Reverse-Engineering
Doch die Digitalisierung hat nicht nur zu Entwicklungssprüngen bei der Hardware geführt, sondern auch bei der Software, die heutzutage ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal verschiedener Hersteller ist. Beim Software-Reverse-Engineering schaut der Entwickler in den Quellcode eines Programms, um die Funktionsweise besser verstehen zu können.
Dieses Wissen kann dann zur Verbesserung der eigenen Software eingesetzt werden. Um diese Methode jedoch erst effizient anwenden zu können, muss der Quellcode offen sein. Bei kostenpflichtiger Software ist das beispielsweise nur selten der Fall, weil Unternehmen verständlicherweise ihr geistiges Eigentum schützen möchten.
Programme mit offenem Quellcode (Open Source) profitieren jedoch oftmals durch eine aktive Community, die Lösungen für bekannte Probleme programmieren kann. Diese Lösungen kann ein fähiger Reverse Engineer dann entsprechend nutzen. So übernimmt Google bei seinem Chrome-Browser regelmäßig Funktionen von nützlichen Add-ons und implementiert diese in das Hauptprogramm, auch dank Software-Reengineering.
Vor- und Nachteile von Reverse Engineering
Der Vorteil dieses Verfahrens sind natürlich die wichtigen Erkenntnisse, die man von Originalprodukten erhält. Es ist eine einfache, systematische und zielgerichtete Methode, um verlorenes Wissen wiederzugewinnen oder die eigenen Produkte zu verbessern. Dabei ist der kreative Teil der Entwicklung oft günstig und zeiteffizient, weil Design-Arbeit zunächst kaum erforderlich ist. Zudem geben bestehende Originalprodukte einen guten Einblick in mögliche Problemlösungen im eigenen Unternehmen.
Genau das ist aber auch der große Nachteil, denn die eigene Kreativität wird dabei nur wenig gefördert. Was bereits vorhanden ist, kann nur sehr selten ein Novum sein, wenn man es praktisch kopiert. Man spart bei der Methode auf der einen Seite zwar viel Zeit, aber die Kosten sind bisweilen nicht unerheblich. Der Kauf einer Maschine mit dem Ziel, sie auseinanderzunehmen, ist unter Umständen recht teuer.
Reverse Engineering Lösungen von PBU CAD-Systeme
Reverse Engineering kann jedem Unternehmen dabei helfen, wertvolles verlorenes Wissen wiederherzustellen oder die eigenen Produkte zu verbessern. Wichtig sind dabei ein methodisches Vorgehen und der Fokus auf die richtigen Ziele. Aber auch eine leistungsstarke CAD-Software ist eine wesentliche Bedingung, um die gewonnenen Erkenntnisse richtig verarbeiten zu können.
Wir bei PBU CAD-Systeme beraten Sie zum Einsatz der passenden CAD-Software, damit Sie von allen Vorteilen des Reverse Engineerings profitieren können. Dabei greifen wir auf über 25 Jahre Erfahrung zurück und bieten unseren Kunden dadurch einen ausgezeichneten Service.
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QUELLEN:
https://t2informatik.de/wissen-kompakt/reverse-engineering/
https://www.strategische-wettbewerbsbeobachtung.com/wiki/reverse-engineering/
https://www.sortlist.de/blog/reverse-engineering/
https://it-service.network/blog/2019/10/11/reverse-engineering/
https://de.wikipedia.org/wiki/Reverse_Engineering
https://www.onpulson.de/lexikon/reverse-engineering/